Predigt am 1.2.2015, Mt 20,1-16

Predigt zu Mt. 20,1-16 am 16.2.2003 (Septuagesimae)

Liebe Gemeinde!
Der Predigttext, zugleich Evangelium für den heutigen Sonntag steht bei Mt 20,1-16
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg
Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen. Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg. Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere müßig auf dem Markt stehen und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist. Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe. Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg. Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten. Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen. Als aber die ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen. Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn und sprachen: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben. Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem letzten dasselbe geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin? So werden Letzte Erste und Erste Letzte sein.

Liebe Gemeinde!

Ist das gerecht?!

Da schuften welche den ganzen Tag viele Stunden in der Hitze, tragen die Hauptlast der ganzen Arbeit und bekommen am Ende des Tages genauso viel wie diejenigen, die nur eine einzige Stunde am Ende des Tages mitgeholfen haben. Alles schreit danach, dass hier eine große Ungerechtigkeit geschieht. Sofort ist man auf der Seite derjenigen, die sich beschweren. Wir haben mehr verdient als die, die nur wenig geschafft, geleistet haben. Wir dürfen denen doch nicht etwa gleichgestellt werden. Ich frage noch mal: Ist das gerecht?!

Nach unseren Maßstäben fällt die Antwort eindeutig aus: NEIN. Und doch geht es hier in diesem Gleichnis um das zentrale Thema Gerechtigkeit und was wir darunter verstehen. Übrigens ein über alle Zeiten hinweg zentrales Thema der Menschheit, des Menschseins.

Schon kleinste Kinder, vielleicht sogar die besonders, haben ein ganz feines Gespür dafür, wenn sie (ihrer Meinung nach) ungerecht behandelt werden. Dabei ist zu beobachten, dass die Ungerechtigkeit allerdings meistens dann schmerzlich wahrgenommen wird, wenn ich vermeintlich zu wenig bekomme (von der Schokolade, der Aufmerksamkeit und dem Lob). Sollte ich selbst der Begünstigte sein, dann fällt das mit der Ungerechtigkeit oft mal unter den Tisch, ja es wird gar nicht mehr bemerkt. In unserer Geschichte sind es ja auch die, die angeblich zu wenig bekommen, die zu kurz gekommenen, die sich beschweren. Darüber, dass wir hier im Westen auf Kosten der ärmsten Länder – trotz Finanzkrise einen so großen Reichtum entwickelt haben, dass zum Beispiel hierzulande die Kaffeepreise nur deshalb so günstig sind, weil die Kaffeebauern und Arbeiterinnen auf den Feldern oft nur ganz geringe Löhne erhalten, beschweren sich nur wenige...
Mir fallen weitere Beispiele ein, die zeigen: Nach unseren Maßstäben ist diese Gleichbehandlung im Gleichnis ungerecht: Die Rentendiskussion: Da zahlen Menschen ein Leben in die Rentenkasse ein, und hinterher wird die Rente sogar noch gekürzt, während etwa Politiker nur kurze Zeit im Amt sein müssen, um eine satte Pension einzustreichen... Ungerecht?! Die Diskussion um unsere Sozialsysteme: Bei den Demonstrationen all überall, aber besonders in Dresden wird viel gejammert, dass DIE muslimischen auf Kosten der Allgemeinheit lebten, dem Terror Tür und Tor öffneten, man selbst sich aber abrackere, anstrenge und nach der Decke strecken würde um sein Auskommen zu haben. Ungerecht?!
Und noch viel existentieller, viel näher an uns dran taucht die Frage nach Ungerechtigkeit immer wieder im Zusammenhang mit Schicksalsschlägen, Krankheit und Tod auf: Da lebt jemand sein ganzes Leben gut, ist für andere da, bemüht sich, und bekommt trotzdem diese Krankheit oder muss viel zu früh sterben oder muss schweres Leid ertragen. Gerecht?

Vieles könnte hier noch genannt werden an empfundener Ungerechtigkeit und an tatsächlich erlittener Ungerechtigkeit die es im Zusammenleben von Menschen, im Leben überhaupt gibt.
Hier in unserem Gleichnis geht es mit Sicherheit um empfundene Ungerechtigkeit. Es ist geschickt erzählt: Der Weinbergbesitzer geht morgens los, wird sich einig mit den Arbeitern, die er einstellt: Einen Silbergroschen sollen sie für ihre Tagesarbeit bekommen, so viel wie man für einen Tag braucht. Schon beim zweiten Schwung Arbeiter, die drei Stunden später eingestellt werden, wird der Lohn nicht mehr genannt: Ich will euch geben, was recht ist, wird gesagt.
Und dann kommt das Überraschende, der Stolperstein im Gleichnis, der Widerhaken, bei dem man denkt: Moment mal, hier stimmt doch was nicht. Die, die nur eine Stunde gearbeitet haben, bekommen ihren Lohn: einen Silbergroschen. Und dann stellt man sich schon vor, wie die übrigen, diejenigen, die länger gearbeitet haben mit leuchtenden Augen nachrechnen, was sie wohl bekommen: Für eine Stunde Arbeit, einen Silbergroschen, für drei Stunden, na ja, die Rechnung ist eigentlich einfach... und die Vorfreude auf den zu erwartenden Lohn groß. Entsprechend groß auch die Enttäuschung, nachdem auch die ersten „nur“ den vorher vereinbarten Lohn bekommen. (Für den Matheunterricht in der Schule ist dieses Gleichnis wohl keine gute Textaufgabe.)

Juristisch ist das Ganze gerecht, denn so war es vereinbart. Die Anderen sollten bekommen „was recht ist“ und was in diesem Fall recht ist bestimmt der Geldgeber, jedenfalls wenn er mehr geben will. Trotzdem verstehen wir die Gefühle der Ersten gut, wie die Beispiele von Ungerechtigkeit bei uns heute ja gezeigt haben.

Klar kommt da Neid auf: Hätte ich das gewusst, dann hätte ich mich auch bis kurz vor Arbeitsschluss auf den Markt in die Sonne gesetzt und gefaulenzt. Die Menschen, die am Morgen noch froh und dankbar darüber waren, wenigstens für diesen Tag Arbeiten zu können, werden auf einmal mürrisch und unzufrieden. Sie werden neidisch, obwohl sie das bekommen haben, was sie für sich und ihre Familien damals brauchten, um einen Tag zu leben. Die Ursache: Der Vergleich mit den Anderen – der führt zu Neid und Unzufriedenheit....

Ich glaube, dieses Phänomen gibt’s heute auch noch, eingestanden oder uneingestanden, offen ausgedrückt oder als Gefühl sofort wieder unterdrückt, der Neid, die Unzufriedenheit und der Vergleich mit den Anderen, der einen selbst immer schlechter aussehen lässt... Genauso, wie man immer jemanden findet, dem’s noch schlechter geht als mir, findet man auch immer jemanden, dem’s garantiert besser geht, der mehr Glück hat, der gesünder ist, der sich mehr leisten kann, der nettere Kinder hat,...

Und das zeigt: die Gerechtigkeit von der wir träumen, von der wir hier auf der Erde unter uns reden, die wir anstreben, die wird es nicht geben, ja sie wird es schon deshalb nicht geben, weil jeder sie anders definiert... Der eine sagt: Jedem das Gleiche als Lohn, egal was er leistet (das ist der utopische und ausgeträumte Traum vom Sozialismus), der andere sagt: nach Leistung muss der Lohn gezahlt werden, aber wer sagt, dass eine Funktion in einem Aufsichtsrat eines Großkonzerns eine 100 mal größere Leistung ist als die eines Maurers oder einer Pflegekraft im Schloss, wie es der 100 fache Jahreslohn im Vergleich suggerieren könnte?
Das Gleichnis zeigt: Gottes Gerechtigkeit ist komplett anders als unsere. Aufrechnen können wir bei ihm überhaupt nichts, nach dem Motto: Ich bin schon als Kind in den Kindergottesdienst gegangen und habe auch als Erwachsener kaum einen Gottesdienst verpasst, also steht mir ein besonders toller Lohn für mein christliches Leben zu. Oder: Ich habe immer ein „christliches“ Leben geführt, war für andere da, habe abgegeben und alle Gebote eingehalten, da steht mir doch mehr zu, als dem der erst auf dem Sterbebett Christ wird.

So rechnet Gott nicht. In seinem Reich (und davon handelt schließlich dieses Gleichnis) wird nicht nach Leistung, nach Arbeitszeit oder Arbeitskraft gezahlt. Liebe kann ich gar nicht bezahlen und Ewigkeit ist Ewigkeit. Er schenkt uns alles (will vollen Lohn mir zahlen, fragt nicht ob ich versag, hieß es im Lied von Jochen Klepper). Die Gerechtigkeit Gottes ist im wahrsten Sinne des Wortes weltfremd, der Welt eine fremde und unverständliche, unbegreifliche Gerechtigkeit... denn sie basiert auf Gottes Liebe und Güte, mit der er verschwenderisch umgeht. Diese weltfremde Gerechtigkeit ist ein Kennzeichen des Reiches Gottes und sie gilt für alle gleich!
Zumindest und ganz sicher für alle, die sich einstellen lassen in den Weinberg Gottes, in das Reich Gottes, die seinen Ruf hören und annehmen. Aber noch mal: Nicht auf die Dauer des Dienstes kommt es an, nicht auf die vermeintliche Wichtigkeit kommt es an, sondern DASS sich jemand in Dienst nehmen lässt von Gott, ihm vertraut und sagt: Ja in diesen Weinberg will ich mich einstellen lassen. Und ich vertraue darauf: Gott versorgt mich Tag für Tag mit Hoffnung, Kraft, Trost und neuem Mut. Er gibt mir, was ich zum Leben gerade brauche.

Oder noch mehr vom Ende des Lebens gedacht und vom goldenen Buch, in dem angeblich alles aufgerechnet wird: Es gibt gar kein Buch, sondern lediglich die Frage: Willst du dich einstellen lassen? Und das schöne: Dieser garantierte Lohn kann schon jetzt das ganze Leben verändern. Dabei ist es – ich betone es noch mal – nicht wichtig, wann wir die Einladung Gottes annehmen. Die Ersten werden den Letzten und die Letzten den Ersten gleichgestellt werden. Amen!

Henning Porrmann

Predigten aus der Schlosskirche

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