Predigt zu Joh 18,28-19,5 am 7.4.2019 Schlosskirche Meerholz

Predigt zu Joh 18,28-19,5

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Liebe Gemeinde!

Sie haben den langen und mit vielen möglichen Anknüpfungspunkten versehenen Predigt, den die neue Predigttextordnung für diesen Sonntag vorgeschlagen hat, gehört. In Zeiten von Fakenews und alternativen Wahrheiten, von Datenpannen bei Facebook und einem immer rauer werdenden Ton in der Politik, in Zeiten von Politikern, die Volk nicht aufs Maul schauen (wie derweil Luther) sondern nach dem Mund reden und ihr Fähnchen in den Wind hängen, aber keine tragbaren Lösungen mehr finden, in Zeiten in denen Menschen bei der Frage der Organtransplantation zur Solidarität durch den Staat gezwungen werden, in Zeiten in denen wieder (oder immer noch?) religiöser oder politischer Wille oder Glaube durch Gewalt durchgesetzt werden soll, in solchen Zeit ist es schon interessant, wenn Jesus auf einen Berufspolitiker, ja man könnte nach der Geschichte sogar sagen, Populisten aber auch Gewaltherrscher seiner Zeit trifft. Pilatus, Statthalter und Repräsentant des Kaisers in Rom, politischer Machthaber der römischen Besetzer Israels damals.

Seine Macht war ihm, und vor allem seinem Vorgesetzten in Rom wichtig und im Grunde wollte er wohl nur seine Ruhe, besonders vor dem Fest, das alljährlich tausende von Leuten in die Hauptstadt brachte mit einem großen Gewaltpotential. Zur Besänftigung wurde dem Volk ein Gefangener freigegeben. Für Pilatus in diesem Fall wohl ein weiterer Prüfstein, wie man das Volk wohl ruhighalten konnte. Allerdings war das Volk schon aufgewiegelt: Von den Repräsentanten der herrschenden Religion gegen den, der von sich sagt, sein Reich sei nicht von dieser Welt und natürlich behauptete Gottes Sohn zu sein. In den Augen des Hohen Rates der Juden ein Verbrechen ohne gleichen. Was soll einer, der seine Ruhe haben will zu diesen Religionsspitzfindigkeiten für die er kein wirkliches Verständnis hat sagen? Ich lese uns den Anfang des Abschnittes nochmal nach der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache:

Sie brachten Jesus von Kajaphas zum Prätorium. Es war früh am Morgen. Und sie gingen nicht in das Prätorium hinein, um sich nicht zu verunreinigen, damit sie das Pessachmahl essen könnten. Also kam Pilatus zu ihnen heraus.

Immerhin, Pilatus lässt sich auf die örtlichen Gebräuche ein, lässt die Juden machen und verlässt sogar seinen angestammten Bereich, kommt ihnen entgegen.

Also kam Pilatus zu ihnen heraus und sagte: »Welche Anklage erhebt ihr gegen diesen Menschen?« Sie antworteten und sagten zu ihm: »Wenn er nicht ein Verbrecher wäre, hätten wir ihn dir nicht ausgeliefert.« Da sagte Pilatus zu ihnen: »Nehmt ihr ihn und verurteilt ihn nach eurem Gesetzbuch!« Die Jüdinnen und Juden sagten zu ihm: »Es ist uns nicht erlaubt, einen Menschen hinzurichten.« Dies geschah, damit das Wort Jesu erfüllt werde, mit dem er angekündigt hatte, auf welche Weise er sterben sollte.

Für Pilatus ist Jesus ein Mensch, wie jeder andere auch, ohne weitere Etikettierung, ohne Geschichte und wie wir später ja sehen werden, auch ohne Schuld. Wobei man hier natürlich fragen könnte, welcher Maßstab da angelegt wird. Keine Schuld nach römischem Recht bestimmt. Keine Schuld nach jüdischem Recht bestimmt nicht. Und doch ist es dem Evangelisten Johannes sehr wichtig, diese Schuldlosigkeit zu betonen. Zwar sagt es auf der Erzählebene Pilatus, gemeint ist es aber von Johannes wohl eher grundsätzlich.

Interessant ist nun, dass die Ankläger Jesu deshalb nicht verurteilen wollen, weil ihr Gesetz seine Hinrichtung nicht zulassen würde. Pilatus solle doch mal einfach darauf vertrauen, dass dieser Mensch ein Verbrecher ist und nicht so viel fragen. So wird Pilatus ohne es zu wollen zum Erfüllungsgehilfen einerseits des Hohen Rates, der das Urteil ja schon längst ohne jede Verhandlung gesprochen hat und andererseits des höheren Heilsplanes Gottes, den Johannes natürlich im Blick hat. So und nicht anders verläuft der Weg Jesu ans Kreuz, wo er stirbt, damit die Liebe leben kann. Da kann Pilatus noch so viel seine Hände in Unschuld wachsen: Er verurteilt einen Schuldlosen zum Tod. Aber Pilatus ist auch auf der Suche nach der Wahrheit, sein Interesse ist geweckt und er befragt Jesus, was wieder in seinem ureigenen Innenbereich, dem Prätorium geschieht:

Pilatus ging wieder hinein ins Prätorium, rief Jesus und sagte zu ihm: »Bist du der König des jüdischen Volkes?« Jesus antwortete: »Ist das deine Meinung oder haben es dir andere über mich gesagt?« Pilatus antwortete: »Bin ich etwa ein Jude? Angehörige deines Volkes und die Hohenpriester haben dich mir ausgeliefert. Was hast du getan?« Jesus antwortete: »Mein Königreich gehört nicht dieser Welt an. Wenn mein Königreich dieser Welt angehören würde, würden meine Leute kämpfen, damit ich nicht der jüdischen Obrigkeit ausgeliefert werde. Mein Königreich ist aber nicht von hier.« Da sagte Pilatus zu ihm: »Bist du also doch König?« Jesus antwortete: »Du sagst, dass ich König bin. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Alle, die der Wahrheit angehören, hören auf meine Stimme.« Pilatus fragte ihn: »Was ist Wahrheit?«

Liebe Gemeinde, hier kommt einiges zusammen… Pilatus scheint die politischen Verhältnisse nicht zu verstehen und fragt Jesus ob er König ist. Wenn er es wäre, warum würde man ihn dann ausliefern? Vorstellbar wäre vielleicht König der Herzen oder so… aber König mit politischem Mandat? Nein. Und richtig. Pilatus merkt, dass er auf dem falschen Pfad ist und fragt Jesus, nachdem der ausweichend geantwortet hat nach seinen Taten. Darauf antwortet Jesus allerdings wiederum etwas geheimnisvoll, dass sein Königreich nicht von dieser Welt ist. Wenn es das wäre, würden er und seine Anhänger mit Gewalt, mit den Mitteln dieser Welt kämpfen. Aber da es das nicht ist, kann Jesus seinen Weg der Liebe ohne Gewalt weitergehen und hält seine Anhänger von Gewalt ab, liefert sich selber der Gewalt, der Staats- und der Religionsgewalt ans Messer.

Gut, er spricht auch von seinem Königreich und insofern muss Pilatus nachfragen, aber dass er König sei sagt Jesus nicht von sich… vielleicht weil er diesen Begriff missverständlich findet… oder weil er weiß, dass sein Königreich, das Reich Gottes ist und er darin Gott als König ansieht und nur Gott.

Und diese Wahrheit will er bezeugen, vom Königreich Gottes, von der Liebe, die sich als stärker als der Tod und alle Gewalt erweisen wird. Eine Wahrheit, die politische Systeme und jede Gewaltanwendung, auch die der Kirchen, überdauern wird. Ein Königreich in der Tiefe des Lebens. Eine Wahrheit, die sich mitten in den Herzen der Menschen findet, die aber nicht in Worte gefasst werden kann, die täglich millionenfach gelebt wird und doch ein Geheimnis bleibt. Die Königsherr-schaft Gottes, der Sieg des Lebens durch die Kraft allen Lebens in allem Leben… Eine seltsame Königsherrschaft, die auch vor dem Tod nicht halt macht, sondern Tod, Leid, Gewalt, Angst, Not, Krankheit und alle Kräfte die lebenskraft-raubend auftreten kurzerhand umarmt und überwindet.

Gut, liebe Gemeinde, Pilatus lässt sich hier nicht auf solch mystische Spekulationen und Predigtgedanken ein, wie ich das hier tue. Er bleibt bei seiner Frage nach der Wahrheit.

Was aber Wahrheit ist, ist schwer zu sagen. Was sich als wahr erweist ist es wohl auch, aber das weiß man bekanntlich oft erst hinterher. Pilatus und allen, die absolute Beweise brauchen und doch eine Sehnsucht nach Glauben und Halt in einer alles übersteigenden Kraft haben empfehle ich: Einfach ganz spielerisch und rein experimentell annehmen, dass die Sache mit Jesus wahr ist, dass Liebe stärker ist als der Tod, dass Gewalt aufhört, wenn Menschen sich – durch wen auch immer – zu einem liebevollen und mitfühlenden Umgang inspirieren lassen. Schaden kann diese experimentelle, versuchte, angenommene Wahrheit niemandem, aber sie kann sich evtl. als richtig und wahr herausstellen. Insofern: Gute Frage Pilatus! Leider war diese Frage wohl nicht auf Antwort aus, sondern eher resignativ oder relativierend gemeint.

Und als er dies gesagt hatte, ging er wieder hinaus zu den Vertretern der jüdischen Obrigkeit und sagte ihnen: »Ich sehe keinen Grund, ihn zu verurteilen. Es ist aber Sitte bei euch, dass ich euch zum Pessachfest jemand freilasse. Wollt ihr nun, dass ich euch den König des jüdischen Volkes freilasse?« Da schrien sie wieder und sagten: »Nicht ihn, sondern Barabbas.« Barabbas war ein Räuber.

Tragisch, dass Pilatus eigentlich in diesen Erzählungen, die von hinten, von der Auferstehung, von der der Evangelist Johannes und mit ihm wir sie betrachten, gar nicht anders kann, als Handlanger und Erfüllungsgehilfe der Gewalttätigen Obrigkeit zu sein. Tragisch, dass das Volk sich hat aufwiegeln lassen und der vermeintliche Volkswille sich geifernd Bahn bricht im Wunsch dem Räuber vor dem König den Vorzug zu geben.

Da nahm Pilatus Jesus und ließ ihn auspeitschen. Die Soldaten flochten einen Kranz aus Dornen und setzen ihn auf seinen Kopf. Sie zogen ihm ein Purpurgewand an, kamen zu ihm, sagten: »Sei gegrüßt, König von Israel!« und gaben ihm Ohrfeigen. Pilatus ging wieder hinaus und sagte zu ihnen: »Hier bringe ich ihn zu euch hinaus, damit ihr erkennt, dass ich keinen Grund sehe, ihn zu verurteilen.« Jesus kam heraus und trug den Kranz aus Dornen und das Purpurgewand. Und er sagte zu ihnen: »Hier ist der Mensch.«

Dass Pilatus die Wahrheit verzerrt, missversteht und oder verhöhnt wird in dieser letzten Szene deutlich. Das hat er wohl wieder mit heutigen Machthabern, die sich nicht viel um die Wahrheit scheren gemein (Wer jetzt an die Türkei, Amerika oder Peru oder den jüngsten Skandal in Spanien denkt, tut dies wohl nicht zufällig…): Der vermeintliche König wird als solcher lächerlich gemacht. Es wird versucht ihn seiner Würde zu berauben. Die Gewalt der politischen Macht scheint zu triumphieren. Eben doch nur ein Mensch, der keinerlei königliche oder gar göttliche Macht hat. Allerdings verurteilt ihn Pilatus noch nicht, sondern übergibt ihn in die Hände der Religionsvertreter und des geifernden Volkes. Seht welch ein Mensch! Setzt er hier ein letztes Mal auf Mitleid? Will er den geschlagenen, erniedrigten Menschen durch diesen Akt der zur Schaustellung retten? Wenn, dann wird hier schnell im Anschluss deutlich, dass er mit seiner Macht kläglich scheitert und kapituliert vor der Masse der Menschen, die lauthals die Kreuzigung fordern. Dieser Forderung widersetzt sich Pilatus bekanntermaßen nicht, wäscht seine Hände in Unschuld und spricht das Urteil und Jesus geht für seine Überzeugung den Weg ans Kreuz…

Wir sehen diesen Menschen, der die Wahrheit Gottes bezeugt. Wir sehen einen Leidenden, der sein Leid trägt. Wir sehen einen der seinen Weg der Liebe und der Gewaltlosigkeit nicht verlässt. Wir sehen einen Menschen, der an der Seite aller Menschen steht, die leiden, Ohnmacht aushalten müssen, für ihre Überzeugungen eintreten und statt Gewalt und Krieg Liebe und Mitgefühl für adequate Mittel halten, die Welt besser zu machen. Wir sehen einen Menschen und Gottes Sohn der uns inspirieren kann und will zu Mitmenschlichkeit, zum Einstehen für die Wahrheit und zu Mitgefühl und Liebe.

Amen.

Predigten aus der Schlosskirche

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