Le Chajim - Ein Predigt von Ralf Göbert zum Brot des Lebens und Zachäus
R: Vor zwei Wochen hat Henning mit euch über Brot nachgedacht.
Jesus sagt: Ich bin das Brot des Lebens!
Er verspricht uns immer und überall –
auch im ganz Normalen und Alltäglichen
nahe zu sein und uns niemals zu verlassen.
Immer wenn wir alleine oder mit Anderen essen und trinken,
können wir das spüren und erfahren.
Mich hat seine Predigt inspiriert,
heute noch einmal eine Brot-Geschichte zu erzählen.
Und ihn hat meine Geschichte inspiriert,
heute den Text gemeinsam mit mir zu lesen.
Das freut mich sehr!
H: „Das Vaterunser kann nur ein Orientale erfunden haben“,
so schreibt der aus Damaskus stammende
deutsche Autor Rafik Schami in einem Kochbuch,
in dem er versucht den Duft und Geschmack
seiner syrischen Heimatstadt einzufangen.
„Nachdem der Betende Gott versichert
‚Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden‘,
verlangt er als allererstes:
‚Unser tägliches Brot gib uns heute.“
R: Dass Essen und Trinken vor allem im Orient weit mehr ist
als der rein physische Vorgang der Nahrungsaufnahme,
das wurde mir bei einer Reise nach Syrien und in den Libanon 2010 deutlich:
Der Taxifahrer, der unsere Reisegruppe am Flughafen in Beirut abgeholt hatte,
sprach kein Wort Deutsch oder Englisch oder Französisch –
oder sonst irgendeine Sprache, in der wir uns
auch nur ansatzweise hätten verständigen können.
Aber als er uns nach gut zwei Stunden die wenigen Kilometer zur Stadtgrenze
durch den chaotischen Feierabendverkehr von Beirut chauffiert hatte,
hielt er kurz an einer kleinen Bäckerei am Straßenrand.
Dort kaufte er zwei frische, heiße Fladenbrote, die er lächelnd mit uns teilte:
„Herzlich willkommen in meinem Land. Schön dass ihr bei uns seid!
Fühlt euch hier wohl und geborgen!“
H: Brot zu teilen, gemeinsam zu essen und zu trinken,
das ist ein Zeichen der Ehrerbietung, es bezeugt gegenseitigen Respekt
und ist eine Form der Kommunikation
auch wenn man die Sprache des Anderen nicht spricht.
„Unser tägliches Brot gib uns heute“, so beten ja auch wir im „Westen“
mit den Worten des Juden Jesus. –
Das Brot ist auch bei uns ein Grundnahrungsmittel.
Das Brot ist auch bei uns ein Zeichen der Gemeinschaft.
R: Daher schmerzt es, dass viele Kirchen grade diese Form der Gemeinschaft
gegenüber einzelnen Menschen oder Gruppen aufgekündigt haben. –
Jesus selbst pflegte, so erzählen uns die Evangelien
Tisch-Gemeinschaft mit den „Zöllnern und Huren“,
den Ausgestoßenen und Aussätzigen seiner Zeit. –
Im gemeinsamen Essen werden Vorurteile überwunden
und Fremdheit wird besiegt.
Das gemeinsame Mahl schafft Nähe und Vertrauen
über alle Mauern und Zäune dieser Welt hinweg.
H: Das Evangelium nimmt uns heute mit in die uralte Stadt Jericho.
Wir werden mit Jesus in ein Haus einkehren und bei einem Mann zu Gast sein,
denn viele von euch bestimmt vom Namen her kennen: Zachäus!
Dort werden sie zusammen Essen und Trinken,
Grenzen überwinden und Trennendes aus dem Weg räumen.
Sie werden einander auf Augenhöhe begegnen
und über Gott und die Welt ins Gespräch kommen...
Der Evangelist Lukas schreibt (19,1-10)
Jesus kam nach Jericho und zog durch die Stadt.
Und sieh doch: Dort lebte ein Mann, der Zachäus hieß.
Er war der oberste Zolleinnehmer und war sehr reich.
Er wollte unbedingt sehen, wer dieser Jesus war.
Aber er konnte es nicht, denn er war klein
und die Volksmenge versperrte ihm die Sicht.
Deshalb lief er voraus und kletterte auf einen Maulbeerfeigenbaum,
um Jesus sehen zu können – denn dort musste er vorbeikommen.
Als Jesus an die Stelle kam, blickte er hoch und sagte zu ihm:
„Zachäus steig schnell herab. Ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein!“
Der stieg sofort vom Baum herab. Voller Freude nahm er Jesus bei sich auf.
Als die Leute das sahen, ärgerten sie sich und sagten zueinander:
„Er ist bei einem Mann eingekehrt, der voller Schuld ist.“
Aber Zachäus stand auf und sagte zu Jesus:
„Herr, sieh doch: Die Hälfte von meinem Besitz werde ich den Armen geben..
Und wem ich zu viel abgenommen habe,
dem werde ich es vierfach zurückzahlen.“
Da sagte Jesus zu ihm:
„Heute ist dieses Haus gerettet worden, denn auch er ist ein Sohn Abrahams!
Der Menschensohn ist gekommen, um die Verlorenen zu suchen und zu retten!“
R: Ich möchte euch die Geschichte
heute aus einer etwas anderen Perspektive erzählen.
Vielleicht findet ihr euch ja darin wieder. –
Oder ihr entdeckt eine ganz andere – vielleicht eure eigene Perspektive:
Zachäus war Zöllner.
Im Israel seiner Zeit war das gleichbedeutend mit Sünder.
Zöllner und Huren wurden gern in einem Atemzug genannt.
Denn beide Gruppen hatten – so zumindest die landläufige Meinung –
sich selbst und ihre Ehre verkauft.
Die einen an die Freier, die anderen an die verhasste römische Besatzungsmacht.
Abschaum waren sie.
Mit denen hatten wir rechtschaffenen Händler
und Kaufleute keine Gemeinschaft.
Zu ihnen gab‘s und keinen echten Kontakt…
Zachäus war Zöllner.
Er saß direkt hinterm Tor von Jericho. Jeder musste an ihm vorbei.
Jeden hat er kontrolliert. Da gab es keine Ausnahmen.
Jedem hat er Geld abgeknöpft. Da gab es kein Pardon.
Ob es viel Geld, oder viel zu viel Geld wurde, das er dir abnahm,
das hing ganz stark von seiner Tagesform ab.
Denn Zachäus hatte seinen Launen…
Das liegt an seiner Größe, sagen die Einheimischen.
Naja, es liegt wohl eher daran, dass er eben keine Größe hat.
Weder körperlich, noch geistig. - Und ein ganz kleines Ego dazu.
Deswegen bläht er sich so auf. Deswegen macht er sich so wichtig.
Deswegen zockt er wahllos Reisende und uns Händler ab.
Er ist zwar nicht viel mehr als ein Zwerg, aber er hat die Macht.
Denn er sitzt auf den Schultern des mächtigen Rom.
Und manchmal wäre es wesentlich besser, unter die Räuber zu fallen,
als in Zachäus‘ gierige Hände…
Ihr merkt, ich mache aus meiner schlechten Meinung über ihn kein Geheimnis.
Ich sage allen ganz offen, was ich über Zöllner im Allgemeinen,
und was ich über diesen Zachäus so im Besonderen denke.
Es nützt nämlich nichts ihm zu schmeicheln.
Durch gute Worte ist er nicht zu bestechen.
Nur durch Geld erreicht man sein Herz. –
Wenn Zachäus überhaupt so etwas hat wie ein Herz...
Ach ja, vorstellen kann ich mich Euch eben noch:
Hamza Ben Achmed mein Name.
Ich bin Kaufmann und Karawanenführer.
Regelmäßig ziehe ich mit meinen Kamelen beladen mit den kostbarsten Waren
auf der uralten Straße von Damaskus
hinunter an den Golf von Akaba am Roten Meer – und wieder hinauf.
Wenn man dabei nur nicht immer durch Jericho müsste.
Oder wenn in Jericho ein anderer Pächter am Zoll sitzen würde.
Einer, mit dem man reden, dem man schmeicheln,
den man vielleicht auch bestechen kann –
und nicht so ein machtgeiler Halsabschneider
wie dieser verfluchte Zachäus…
Doch der hat mich heute eingeladen. Ihr glaubt es nicht! –
Ich soll heute mit ihm zu Abend essen. In seinem Haus. –
Lieber werde ich gar nichts essen –
ja, lieber verhungere ich, als mit dem zu feiern…
Und er will mir alles vierfach zurückerstatten,
um das er mich in den vergangenen Jahren betrogen hat. –
zumindest sagt er das…
Leute, für wie blöd hält der mich!
Ich weiß zwar nicht was er im Schilde führt.
Aber das ist mit Sicherheit eine Falle!
Sein Haus sei gerettet worden. Er habe den Messias gefunden –
nein, der Messias habe ihn gefunden.
Er, Zachäus, sei verloren gewesen, hätte sich im Leben verlaufen,
doch jetzt sei er durch die Begegnung mit Jesus wie neu geboren…
Jesus – Jeshu – Jehoshuah – Josua! –
An den Feuern in der Wüste erzählen die Alten von Einem mit Namen Josua.
Er sei ein Diener des allmächtigen Gottes gewesen
und habe sein Volk in die Freiheit geleitet. –
Vielleicht hat der eine Jeshu ja was mit dem Anderen zu tun –
und G*tt ist wirklich im Spiel bei dieser merk-würdigen Geschichte...
Ob ihr mich jetzt für verrückt haltet oder nicht! Ich nehme die Einladung an.
Ich gehe tatsächlich heute Abend zu Zachäus zum Essen!
Was er heute wohl auftischen wird?
Ob er tatsächlich das Unrecht wiedergutmachen will,
das er mir und so vielen Leuten angetan hat? –
Ich bin gespannt –
Nein: ich freue mich irgendwie auch darauf.
Wie es war, möchtet ihr wissen?
Ich habe fröhlich vom Brot gegessen, das er mir angeboten hat.
Und ich habe ihm freundlich zugeprostet
und mit ihm auf das Leben angestoßen! Le-Chajim! –
Und ich bin mir inzwischen sicher: Da ist G*tt im Spiel!
H: Macht das doch auch immer mal, liebe Zuhörende:
Probiert es aus! Lasst euch darauf ein!
Lasst euch einladen und ladet Leute ein:
Freunde, Familie, Nachbarn –
auch die, mit denen ihr sonst nur wenig am Hut habt.
Teilt Brot! Prostet euch zu! - Feiert das Leben!
Und ich bin mir sicher:
Dann werdet ihr erleben und erfahren, dass G*tt mit im Spiel ist!
Denn der Messias Jesus hat einmal gesagt:
Ich bin das Brot des Lebens.
Wer zu mir kommt,
wird nie mehr hungern
und wer an mich glaubt,
wird nie mehr Durst haben!
Amen